Falls jemand zufälligerweise in der Nähe von Portsmouth ist und sich für alte Schiffe aus einer Zeit interessiert, in der Männer noch Männer sein durften, sich mit Kanonen beschossen und dafür auch noch von einem Kaiser oder einer Königin gelobt wurden, zumindest wenn sie als Sieger zurück kamen, dem empfehle ich unbedingt einen Besuch des Historic Dockyard. Der Eintritt für das gesamte Gelände einschließlich einer Hafenrundfahrt ist mit 18,50 GBP (ca. 23,40 EUR) zwar selbst für britische Verhältnisse etwas happig, ich habe ihn aber nicht bereut.
Auf einem abgegrenzten Hafengelände gibt es diverse Ausstellungen, die obligatorischen Souvenir-Shops, Cafés und Restaurants sowie zwei alte Kriegsschiffe, die sich nicht nur ansehen sondern auch begehen lassen. Letzteres war für mich der Grund den hohen Eintritt zu zahlen. Die zwei im Hafen liegenden Schiffe sind zum einem die HMS Warrior 1860, zum anderen die HMS Victory, die immer noch einen aktiven Kapitän besitzt und aus nostalgischen Gründen weiterhin einsatzbereit gehalten wird.
Die HMS Warrior 1860 ist das neuere Schiff. Es stammt aus der Übergangszeit vom Segel- aus den Dampfbetrieb, besitzt bereits mit Eisen gepanzerte Aussenwände, die sie gegen damalige Kanonen unverwundbar machte, und bot einer Schiffsbesatzung von mehr als 700 die Option auf ein heldenhaftes Ableben auf dem Meer. Dazu kam es aber nie: nach einigen kampflosen Jahren wurde sie wenig respektvoll als Lagerraum verwendet und erst zum Ende des letzten Jahrhunderts restauriert. Der Gang auf und in den Geschossen unter Deck ist sehr eindrucksvoll und wäre das Highlight auf dem Historic Dockyard, wenn es die HMS Victory nicht gäbe.
Die HMS Victory stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und bot der Besatzung von rund 850 Menschen eine deutlich realistischere Ablebenschance, da sie auch im Einsatz war. Admiral Lord Nelson befehligte die englische Flotte von diesem Schiff in der Schlacht von Trafalgar – von dem Sieg erfuhr er auf dem Sterbebett. Den Besuch des Schiffs als eindrucksvoll zu bezeichnen, ist aus meiner Sicht eine blanke Untertreibung.
Auch wenn das Schiff von aussen bereits groß wirkt, die tatsächliche Größe speziell im Bauch des Schiffs verschlug mir glatt die Sprache. Die zahlreichen Geschosse sind sehr niedrig und legten den Verdacht nahe, dass die Besatzung damals kleiner war. Auf Nachfrage wurde dies aber verneint: das Schiff wurde einfach für Stabilität gebaut, nicht für Komfort. Was in den Köpfen der Menschen in den unteren Geschossen während der Kämpfe ablief, möchte ich nicht wissen. Auch in der Ruhe des Hafens war das Gefühl bereits beklemmend.
Mit der Marie Rose gibt es noch ein drittes Schiff im Dockyard. Durch falsche Beladung sank es bereits zum Schrecken der damaligen Marineführung beim Auslaufen. Vor einigen Jahren wurden die Reste des Wracks gehoben und können nun durch eine Glasscheibe besichtigt werden. Das Wrack wird derzeit mit einer chemischen Flüssigkeit besprüht, die leider auch einen Belag auf der Glasscheibe hinterläßt. Viel sehen konnte ich nicht.
Wir hatten eigentlich nur einen kurzen Erfrischungsstopp in Portsmouth geplant, letztendlich haben wir einen halben Tag auf dem Navy-Gelände verbracht, davon den größten Teil der Zeit auf den beiden Schiffen. Hier und da ging mir der Pathos der Navy ein wenig auf den Keks, aber das gehört wohl dazu. Die auf dem Schiff jeweils anwesenden Navy-Mitarbeiter waren jedenfalls durchweg freundlich und auskunftsfreudig, die Begeisterung für die alten Schiffe waren ihnen anzusehen.
Hallo,
wir befinden uns auf einer wunderschönen Südengland-Rundreise, verbringen die letzten Tage auf der Isle of Wight und haben heute von hier aus Portsmouth und die historischen Schiffe besichtigt, nicht zuletzt angeregt durch Ihre interessante Beschreibung. Wir sind begeistert, der Eintritt ist es wirklich wert. Auf dem Gelände, auf dem die Schiffe liegen, fand an diesem Wochenende außerdem eine Vorführung alter Dampfmaschinen statt und viele Menschen flanierten in historischen Kostümen auf dem Pier.
09. Mai 2009